Heft 99 der Rotenburger Schriften erschienen
Im Rahmen der Mitgliederversammlung wurde der neuste Band der Rotenburger Schriften vorgestellt. Aus dem Inhalt:
Dr. Walter Jarecki berichtet aus seiner Arbeit am Urkundenbuch zum Andreas-Stift Verden über die Besitzungen des Stiftes im Landkreis Rotenburg, vor allem an der Kirche in Sittensen. Dr. Wolfgang Dörfler stellt eine Karte des Herzogtums Verden (soweit es zwischen Weser und Aller gelegen ist) von 1650 vor. Diese Karte aus dem Reichsarchiv Stockholm war bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Dr. Jan Müller-Scheeßel hat einen Aufsatz zur Geschichte der Scheeßeler Wassermühle geschrieben, die heute das bedeutendste technikgeschichtliche Denkmal des Landkreises ist. Aus der Presse ist der Konflikt um die Staurechte und die Durchgängigkeit des Wehrs bekannt. Hier die Hintergründe aufzuzei-gen ist dem Autor sehr informativ gelungen. Hans-Joachim Turner stellt einen in der Literatur bisher noch nicht beschriebenen Gebäudetypus vor, für den er drei Beispiele in Krelingen, Landkreis Heidekreis gefunden hat. Es handelt sich um ein Häuslingshaus mit integriertem Backofen. Der Aufsatz ist von zahlreichen sehr schönen Zeichnungen begleitet und erweitert unsere Kenntnisse des Häuslingswesen und vor allem der Wohnstätten dieser ländlichen Bevölkerungsgruppe. Der Rotenburger Kreisarchäologe Dr. Stefan Hesse berichtet, dass in einem vorgeschichtlichen Hügelgrab bei Volkensen einige mehrere Tausend Jahre alte, fremdartige Pfeilspitzen aus Obsidian entdeckt wurden, die einwandfrei nordamerikanischer Herkunft sind und vermutlich im 19. Jahrhundert n. Chr. ihren Weg hierher fanden und zwar im Gepäck zurückkehrender Amerikaaus-wanderer. Der Aufsatz von Michele Bredehöft aus Bremervörde behandelt die Geschichte der Ackerbauschule Bremervörde, ihre Gründung, ihre Blüte und die Spuren, die in der heutigen Berufbildenden Schule zu finden sind. Die Schule selbst hatte von 1875-1936 bestanden. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Zeven in der Zeit nach 1933 und das Schicksal der Zevener Juden nach dem 2. Weltkrieg sind die Themen, das Roland Sperling von der Stiftung Lager Sandbostel aufgearbeitet hat. Der Aufsatz basiert auf Voruntersuchungen der ehemaligen Kreisarchivarin Frau Dr. Elfriede Bachmann und einem Vortrag, den Roland Sperling im Jüdischen Museum Cohn-Scheune in Rotenburg gehalten hat. Dort wurde in Jahr 2019 auch die von einer tischlerklasse nachgebaute Einrichtung des Zevener Betsaals gezeigt. Dieser Raum war als letzte neue Synagoge Deutschlands erst 1937 eingerichtet worden. Seine Einrichtungen wurden 1939 in einer öffentlichen Aktion zerschlagen und verbrannt.. Am 12. Februar wurde in Scheeßel ein „Stolperstein“ im Andenken an Anna Katharina Meyer verlegt. Sie war 1941 aus den Rotenburger Anstalten nach Hadamar verlegt worden und wurde dort ermordet. In der Feierstunde wurden von Herrn Dr. Karsten Müller-Scheeßel, dem ehemaligen Scheeßeler Gymnasialdirektor, und Frau Dr. Carola S. Rudnick von der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg Ansprachen gehalten. Die Druckfassung dieser Beiträge ist dokumentiert. Das Rotenburger Ratsgymnasium feierte 2019 das 70. Jubiläum seiner Gründung. In einer Rückschau haben Norbert Bitzer und Jonas-Hanns Kruse – beide Geschichtslehrer am Ratsgymnasium – die Festschriften zu den 10- und 25 jährigen Jubiläen von 1959 und 1974 auf ihre politischen und weltanschaulichen Implikationen untersucht und so den Wandel der Zeiten und Anschauungen deutlich gemacht. Freilichtmuseen bäuerlicher Gebäude sind ohne Frage von großem Reiz. So ging Dr. Wolfgang Dörfler dem Freilichtmuseumsgedanken nach und fragt nach den Gründungsmotiven und Gründungspersönlichkeiten dieser Einrichtungen. Ein besonderer Blick gilt dabei natürlich den Einrichtungen im Landkreis Rotenburg (Wümme), der ja kein zentrales Freilichtmuseum besitzt, aber eine große Zahl an musealisierten historischen Gebäuden in den Dörfern aufzuweisen hat. Statt der sonst üblichen Gedichtvorstellung drucken wir in diesem Jahr die Vorstellung eines Prosatextes von Joseph Roth aus seinem Roman Radetzkymarsch. Anhand des Textes, der Person des Autors und anderer literarischer Erzeugnisse zu dem Themenkomplex wirft Dr. Wolfgang Dörfler einen Blick auf den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie und die prekäre Lage, in die die jüdischen Einwohner des Vielvölkerstaates dadurch gerieten.